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1 Jahr Mental Health Coaches – was haben wir erreicht?

Bundesjugendministerin Lisa Paus eröffnet Fachtagung und zieht Bilanz

Das Modellvorhaben Mental Health Coaches läuft nun seit einem Jahr. Auf der von Bundesjugendministerin Lisa Paus eröffneten Fachtagung in Berlin waren sich alle einig: Das Angebot der Coaches ist ein voller Erfolg und kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, um präventiv wirken zu können. Daher muss es unbedingt weitergehen – aber mit einer längeren Projektlaufzeit. Denn die Kontinuität ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. 

Es gibt Grund zu feiern: Das Modellvorhaben ist zum Schuljahr 2023/2024 ins Leben gerufen worden, die Mental Health Coaches sind jetzt seit einem Jahr aktiv. Und so wurde am 23. September in Berlin vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zu einer Fachtagung geladen, um eine Zwischenbilanz zu ziehen. „Im Herbst 2023 haben wir noch Personal eingestellt, dann sind wir schnell und flexibel in die Umsetzung gegangen“, erinnerte sich Fachreferentin Özlem Tokyay in ihrer Rede vor Mental Health Coaches, Politiker*innen, Expert*innen aus der Wissenschaft, Schulleiter*innen sowie weiteren Kooperationspartner*innen. Die Zahlen sind beeindruckend: Innerhalb des ersten Umsetzungsjahres im Schuljahr 2023/24 konnten die rund 100 Mental Health Coaches an 113 Schulen 1.052 Gruppenangebote umsetzten, an denen 38.501 Schüler*innen teilnahmen. „Die Mental Health Coaches machen Schule zu Wohlfühlorten, in denen psychische Belastungen nicht stigmatisiert werden“, sagte Özlem Tokyay, und weiter: „Aufwachsen in Krisenzeiten bringt Herausforderungen mit sich, da braucht es innovative Ansätze. Mit dem Angebot der Coaches erleben sich Jugendliche in der Schule in einem unbewerteten Raum. Jede*r einzelne von ihnen bringt wertvolle Ressourcen mit – die Schüler*innen müssen diese aber erst einmal entdecken.“

Zahlen belegen, dass Kinder und Jugendliche heute psychisch stark belastet sind

Dass Kinder und Jugendliche heute psychisch stark belastet sind, belegen auch Zahlen, die Bundesjugendministerin Lisa Paus in ihrem Grußwort nannte: Ein Drittel mehr Jugendliche hätten heute psychische Probleme als vor der Pandemie. Die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) gab im August in ihrem Präventionsradar heraus, dass mehr als die Hälfte aller Schulkinder erschöpft und fast ein Drittel von erhöhter Einsamkeit betroffen ist. „Jeder junge Mensch verarbeitet das Weltgeschehen mit seiner komplexen Lage auf eigene Weise“, sagte Lisa Paus. Die Mental Health Coaches schafften sichere Räume, in denen über alles geredet und die Resilienz gestärkt werden könne. „Dies ist ein kleines Programm. Was Sie geleistet haben, ist richtig, richtig groß. Ich bin sehr beeindruckt von den Erfolgen Ihrer Arbeit“, richtete sich Paus an die anwesenden Mental Health Coaches. Die Bundesjugendministerin wisse, dass dies alles nicht möglich gewesen wäre, wenn die Coaches ihre Arbeit nicht aus tiefster Überzeugung gemacht hätten. 

Wie wichtig die Coaches für die Schulen sind, betonte auch Brunhilde Malmwick, Rektorin der Schule am Schloss in Berlin-Charlottenburg – vor einem Jahr fiel an ihrer Schule der Startschuss für das Modellvorhaben: „Lehrkräfte sind keine eierlegenden Wollmilchsäue. Sie sind dafür da, um Fachwissen zu vermitteln. Andere Professionen sind darum überlebenswichtig für das System Schule.“ Erste Evaluationsergebnisse der Universität Leipzig legen dar, dass die Schulleitungen die hohe Kompetenz der Mental Health Coaches, deren Angebots- und Methodenvielfalt sowie die gewonnene personelle Ressource positiv bewerteten. Was an der Fachtagung immer wieder thematisiert wurde: die fehlende Planbarkeit – das Modellvorhaben ist über den neuen Haushaltsentwurf aktuell bis zu den Sommerferien 2025 beantragt. Die Bewilligung steht allerdings derzeit noch aus. „Ich arbeite hart daran, dass es weitergeht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese wichtige Arbeit nicht weitergehen kann. Denn Kontinuität ist ein Erfolgsfaktor“, versprach die Bundesjugendministerin. Dies bestätigte auch Mental Health Coachin Emilia Krebs: „Jeder Mensch braucht mindestens eine Person, die felsenfest und bedingungslos an sie oder ihn glaubt. Wenn die Eltern das nicht können, dann kann das jemand wie wir sein. Aber das braucht Kontinuität. Endet so ein Projekt zu früh, bedeutet das wieder einen Beziehungsabbruch.“ 

Für Mental Health Coachin Nina Stracke ist das Programm deshalb so wichtig, weil alle Schüler*innen auf niedrigschwellige Weise erreicht werden: „Wir haben wirklich die Möglichkeit, präventiv zu arbeiten. Die Jugendlichen setzen sich erstmals damit auseinander, was ihnen mental guttut.“ Die Schüler*innen seien immer wieder überrascht, wenn sie erfahren, dass Nina Stracke nicht zur Wissensvermittlung an der Schule ist – sondern sich darum kümmert, dass es den jungen Menschen nachhaltig gut geht. Und dass sie da ist, wenn Gesprächsbedarf entsteht. Wichtig sei dieses „Sagen, was ist. Dass die Jugendlichen benennen können, wenn sie eine Angst entwickeln oder vor einer Herausforderung stehen – und dann auf eine Vertrauensperson zugehen können. Connected sein hat einen großen Anteil an Resilienz, übrigens auch untereinander, also in der Peer-Group der Schüler*innen“, sagte Nina Stracke.

Die Planungsunsicherheit stellt für Schulen und alle Beteiligten eine Schwierigkeit dar 

Ein Projekt, wie sich Schüler*innen untereinander helfen können, stellte an der Fachtagung Bernhard Rothauser, Rektor des Goethe-Gymnasiums in Regensburg, vor. Sein Schüler*innenmentoring-Projekt ziele auf die Stärkung des schulinternen Hilfsnetzes bei psychosozialen Belastungssituationen ab. Bernhard Rothauser hatte auch eine Guideline für interessiertes Schulpersonal mitgebracht, damit nicht jede einzelne Schule mit einem solchen Vorhaben völlig von vorne anfangen müsse. 

Julian Schmitz, Professor für Kinder- und Jugendpsychologie an der Universität Leipzig, leitet das Forschungsteam, das mit der wissenschaftlichen Evaluation des Programmes beauftragt worden war. Er sagte in seinem Vortrag: „Die psychosoziale Versorgung an Schulen ist sehr wichtig, gerade Kinder von sozial benachteiligten Familien sind häufiger psychisch belastet.“ Aber auch Leistungsdruck sei ein großer Faktor, weshalb die Schule für viele Jugendliche kein Wohlfühlort sei. Seine vorläufigen Evaluations-Ergebnisse legen nahe, dass die Mental Health Coaches ein Erfolg waren und sind. „Die große Mehrheit der von uns befragten Gruppen – darunter auch Schülerinnen und Schüler – wünscht sich eine Fortsetzung und Ausweitung des Modellvorhabens. Bei der weiteren Projektplanung sollte die aktuell hohe Planungsunsicherheit für Schulen und andere Beteiligte, die aus der bisher kurzen Projektlaufzeit resultiert, berücksichtigt und verringert werden“, sagte Julian Schmitz.

Bundesjugendministerin Lisa Paus möchte das Programm unbedingt weiterführen.Deshalb haben wir dem Bundestag im Haushaltsentwurf vorgeschlagen, uns auch für 2025 Mittel für die Mental Health Coaches zur Verfügung zu stellen“, sagte sie. Die vier Trägergruppen fordern die zugesagten drei Jahre ein, denn mit der Stückelung der Laufzeitzusagen lässt die Glaubwürdigkeit gegenüber der Träger nach, und es wird eine Herausforderung für sie, das Modellvorhaben mitzutragen. Auf der Fachtagung waren sich indes alle einig: Es muss einfach klappen mit der Finanzierung. Denn Resilienz und mentale Gesundheit sind Grundbausteine für ein gutes Leben und werden immer wichtiger – schließlich ist nicht davon auszugehen, dass die Welt, in der wir heute leben, in absehbarer Zeit weniger komplex sein wird. Mit den Mental Health Coaches schafft man gemeinsam einen Wohlfühlort Schule, die Coaches sind Teil eines multiprofessionellen Teams, das einen wichtigen Aspekt an die Schulen bringt: Wer sich selbst und die eigenen Stärken gut kennt, wer weiß, wo man Hilfe bekommt und diese auch einfordern kann, ist für die Zukunft besser aufgestellt. Letztlich verändern die Mental Health Coaches das System Schule zum Positiven, weil Sie den vielerorts überarbeiteten (und zu wenigen) Lehrkräften eine wichtige Arbeit abnehmen – und diese sich dann besser um die Wissensvermittlung kümmern können. Deshalb ist es so wichtig, dass das Modellvorhaben weiter besteht. Es geht um nicht weniger als die mentale Gesundheit einer ganzen Generation von Jugendlichen, die im Krisenmodus erwachsen werden muss.

Ein Beitrag von:
Servicebüro Jugendmigrationsdienste; Fotos: Juliane Sonntag/BMFSFJ/photothek.de und Mimi Hoang (Graphic Recording)